Dass Israel ein Land voller Naturschönheit und ein echtes Wanderparadies ist, wird wohl kaum ein Reisender bezweifeln. Was den Genuss dieser Schönheit aber oftmals erschwert, ist die mühselige Anreise, denn Israels Nationalparks sind oftmals kaum durch öffentliche Verkehrsmittel erschlossen und so bleiben dem Individualreisenden nur organisierte Touren oder die kostspielige Alternative eines Mietwagens. Trotz dieser Probleme, gibt es aber einige Wanderungen, die mit Bus und Bahn erreicht werden können. Hier zeigen wir euch wie es klappt!
Wer an Israels Landschaft denkt, der stellt sich oftmals die karge Steinwüste der Negev oder die steil aufragenden Felsen am Toten Meer vor. Der größte Nationalpark des Landes bildet hierzu aber einen scharfen Kontrast: Sanfte Bergkuppen, Mischwälder und mediterraner Buschbewuchs prägen das Landschaftsbild im Mount Carmel Nationalpark. Im Hinterland Haifas erhebt sich diese Bergkette, die der wohl grünste Fleck im heiligen Land ist. Für Wandertouristen gibt es im Gebirge vieles zu entdecken: Gipfel, Höhlen, Schluchten und atemberaubende Aussichten bis zum Mittelmeer erwarten dich! Was den Nationalpark gegenüber anderen in Israel zudem besonders auszeichnet, ist die unkomplizierte Erreichbarkeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Von Tel Aviv aus kann der Kibbuz Jagur an der Nordseite des Parks in unter zwei Stunden erreicht werden. Hier startet auch unsere Wanderung.
Start: Kibbuz Jagur
Ziel: En Hod
Länge: 22 km
Schwierigkeit: Mittelschwer
Anreise: Zug von Tel Aviv nach Haifa Hashmona (1:15) -> Bus 320/332 bis Kibbutz Jagur (25 min)
Abreise: Bus 691 von Ein Hod nach Hof Carmel (15 min) -> Zug nach Tel Aviv (1:05)
An der Bushaltestelle des Kibbuz Jagur lässt sich kaum erahnen, dass hier eine Wanderung durch einen Nationalpark voller unberührter Natur beginnt. Sie liegt direkt an der Autobahn und man kann dem Busfahrer die Überraschung vom Gesicht ablesen, wenn man als Tourist hier aussteigt. Allerdings erblickt der Wanderer nur wenige Meter nach der Bushaltestelle auch schon die drei charakteristischen Streifen des Israel National Trail, ein Fernwanderweg durch das ganze Land. Auf einem Abschnitt dieses Wegs führt auch unsere Wanderung, weshalb wir uns gut an den Markierungen orientieren können. Wir passieren den Kibbutz und den angrenzenden Freizeitpark und stehen nun am Tor zum Nationalpark. Hier finden sich einige interessante Informationen sowie Regeln, die Besucher unbedingt beachten sollten. (Genug Wasser mitnehmen, Kein Feuer im Park)
Bring unbedingt bereits Proviant und Wasser mit! Der Minisupermarkt im Kibbuz verkauft seine Waren nur an Kunden mit Bewohnerkarte.
Den Anfang der eigentlichen Wanderung bildet sogleich ein steiler Anstieg, der uns auf den ersten Bergrücken führt. Zwar ist der Hang bewaldet, aber dennoch müssen beim Aufstieg über felsigen Untergrund bisweilen die Hände zur Hilfe genommen werden. Die Mühen werden aber bereits hier durch interessante Aussichten belohnt. Die Industrieanlagen in den Vorstädten Haifas in der Ferne wirken fast unwirklich, wenn man sie aus den ruhigen Wäldern des Nationalparks heraus betrachtet und an klaren Tagen reicht die Sicht bis zur Kreuzfahrerstadt Akko. Nach etwa vier Kilometern und 400 Höhenmetern erreichen wir einen Rastplatz, an dem wir uns vom Aufstieg erholen können. Hier kann eine kurze Pause eingelegt werden, bevor es weitergeht auf dem nun nur noch sanft ansteigenden Pfad.
Als nächstes erwartet uns eine etwas andere Sehenswürdigkeit. Am David Eisen Aussichtspunkt zeigt ein mehrere Meter großes Terrainmodell die Landschaft um den Suezkanal und auf Infotafeln wird (auf Hebräisch) über die Eroberung des Kanals durch Israel während des Abnutzungskrieges informiert. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Gedenken an David Eisen und sieben andere Soldaten, die im Kampf um den Kanal verstarben. Neben dem Modell befindet sich auch ein Trinkwasserspender, an dem wir unsere Flaschen neu befüllen können.
Die nächste Station unserer Wanderung bildet das Dorf Isfaya. Hier leben vor allem Drusen, was sich unter anderem durch ein am Weg gelegenes Gotteshaus bemerkbar macht. Wir durchqueren für etwa 500 Meter ein Wohnviertel, bevor wir wieder in die Wälder des Nationalparks eintauchen. Der weitere Weg führt nun in ein leicht abfallendes Tal. Nach kurzer Zeit verläuft der Pfad durch ein augetrocknetes Flussbett, das sich mit der Zeit zu einer Schlucht verengt. Diese ist definitiv eines der Highlights der Tour! Abgesichert durch Metallstufen und Geländer ist der Abstieg eine unterhaltsame Abwechslung zu den bisherigen Pfaden. Zugleich ist hier aber Vorsicht geboten. Das Flussbett kann sich bei Regen schnell in einen reißenden Strom verwandeln, weshalb es bei schlechtem Wetter auf keinen Fall begangen werden sollte!
Am Ende der Schlucht öffnet sich vor uns ein weiter Talkessel. Einige kleine Hütten zeugen zwar von einer sanften landwirtschaftlichen Nutzung, aber dennoch fühlt man sich hier fernab der Zivilisation und umgeben vom saftigen Grün des Nationalparks. Von hier aus startet der zweite große Anstieg unserer Tour: Der Aufstieg auf den Har Shokef, einen der prominentesten Gipfel im Nationalpark. Nach einigen hundert Metern auf einer Piste geht es auf einem schmalen Serpentinenpfad aufwärts. Oben angekommen werden wir auch hier fürstlich entlohnt. Vom Gipfel aus können wir beinahe den gesamten Park bis hin zum Mittelmeer überblicken und Natursteinbänke laden zum Verweilen ein. Da wir jetzt auch etwas mehr als die Hälfte der Wanderung bereits abgeschlossen haben, bietet sich eine etwas längere Mittagspause an diesem Ort an.
Vom Gipfel steigen wir ab Richtung Süden. Im Südteil des Nationalparks präsentiert sich uns noch einmal eine ganz andere Landschaft. Die Wälder weichen mediterranem Buschbewuchs, der einen würzigen Duft verströmt, und die sanften Hügel werden durchbrochen von steil aufragenden Feldwänden. Immer wieder müssen nun auch die Hände zur Hilfe genommen werden, um kleinere, leichte Kletterpassagen zu bewältigen. In den bizarren Felsformationen entdecken wir immer wieder Höhlen, die zum Teil auch wichtige archäologische Fundstätten sind. Das Gebirge war bereits in prähistorischen Zeiten besiedelt und so finden sich hier heute noch Artefakte und Knochen der ehemaligen Bewohner.
Zum Abschluss der Wanderung steigt der Pfad noch einmal an, auf einen kleineren Gipfel am Rand des Nationalparks, mit Blick auf die Küstenebene und das Mittelmeer. Wer seine Wanderung geschickt geplant hat, kann hier einen der schönsten Sonnenuntergänge Israels erleben. Vom Gipfelplateau aus die Sonne im Meer versinken zu sehen, ist eine wirklich einmalige Erfahrung.
Bevor die Nacht ganz anbricht, steigen wir schließlich ab nach En Hod. Das Dorf ist für sich schon eine Sehenswürdigkeit und bietet sich auch für eine Übernachtung an. Fast alle Bewohner des Dorfes sind Künstler, unter ihnen einige der einflussreichsten der zeitgenössischen israelischen Kunst. Dies spiegelt sich auch in der Atmosphäre des Dorfes wider, wo es an vielen Stellen kleine Zeugnisse der kreativen Bewohnerschaft zu entdecken gibt. Vom Zentrum des Dorfes aus kann nun mit dem Bus der Bahnhof Hof HaCarmel in Haifa erreicht werden, von wo die Züge nach Tel Aviv regelmäßig abfahren. Wir empfehlen allerdings den Tag zunächst in einem Café oder Restaurant in En Hod ausklingen zu lassen und dann, nach Einbruch der Dunkelheit, die Rückfahrt in Angriff zu nehmen.